Internet Handy Kurzgeschichte

Hans im Glück

Es regnete seit Tagen. Das war schlimm genug.

Am schlimmsten aber war, dass meine Frau bei solchem Wetter ihre ganze üble Laune an mir auszulassen pflegte. Böse Falten hatte sie dann in ihrem hageren Gesicht, und statt zu kochen keifte sie den ganzen Tag und nörgelte an mir herum.

Ich litt wie ein Hund, und hatte überdies Hunger wie ein Wolf. Endlich hatte ich eine Eingebung: Elfriede, sagte ich, heute gehen wir fein Abendessen. Ich lade dich ein. Was sagst du dazu?

Ich hatte böse Widerrede erwartet, aber o Wunder: sie war gleich einverstanden und machte sich sofort fertig zum Ausgehen.

*

Komisch, sagte sie, als wir bald darauf Arm in Arm losstiefelten, komisch, ich dachte immer, dein Schirm wäre schwarz, nicht blau.

Ich wollte gerade erwidern: Ist er auch!, da bemerkte ich es selber: Mein Paraplü war eindeutig blau!

Ich spannte ihn auf, und bemerkte noch eine Veränderung an ihm: dieses Gestänge da war jetzt aus gelbem Messing, statt wie früher aus verchromtem silbrig glänzendem Blech. Meine Frau sprach als erste aus, was auch mir durch den Kopf schoss: Das ist gar nicht dein Schirm, sagte sie, du hast ihn bestimmt verwechselt. Es klang nach einem Vorwurf.

Na schlecht?, erwiderte ich, hab ich halt jetzt einen blauen. Bei meinem alten war eh schon eine Rippe ab, und die Bespannung eingerissen. Und der da ist wenigstens prall gespannt.

 *

Wir gingen fein essen. Französisch. Ich bestellte Soupe de Poissons, mein Frau nahm Salade d épinard au Chêvre Chaud au miel als Vorspeise.

Was ist los mit dir?, fragte sie verwundert, als wir mit dem edlen Gobillard Rosé anstießen. Auf einmal so spendabel? Sonst gehen wir doch nie essen, und wenn, dann höchstens mal zur Happy Hour ins Interspar. Zum halben Preis Restl essen.

Ich lächelte nur und begann mich mit Genuß dem wirklich exquisiten Loup de mer entier aux herbes fraîche zu widmen, den der Garcon eben mit einem galanten ‚Bon Appetit!’ bei mir abgestellt hatte. Meine Frau machte sich bald darauf mit ähnlichem Entzücken über ein Gericht her namens Perdreau entier désossé rôti aux Pruneaux d'Agen.

Ich ließ mir einen Chablis premier cru Montmain 1989 dazu bringen, während meine Teuerste, die lieber süß trinkt, einen 2000er Vouvray bevorzugte. Mehrmals ließen wir uns nachschenken. Mit Erstaunen sah ich, mit welchem Appetit auch Elfriede aß. Sie war ohnehin viel zu dürr, dachte ich, und sieht deswegen älter aus, als es sein müsste. Vielleicht sollte ich öfter mit ihr fein essen gehen.

 

Nachher gab es einen Käseteller - une Assiette de Fromages Divers - sowie als Dessert ein sogenanntes Soufflé de poire et sa déclinaison. Was immer es war – es schmeckte hervorragend!

Zum Abschluß hatten wir noch Cognac, und bestellten dann nochmal Champagner. Wir waren bester Laune. Elfriede war wie ausgewechselt.  

Und ich habe dich immer für einen Knicker gehalten, Hans, sagte sie reumütig. Verzeih mir Schatz.

Ich verzieh.

Gerade in dem Moment servierte uns der Kellner ein wunderschönes Porzellantellerchen, mit einer kunstvoll gefalteten Stoffserviette darauf, unter der ein Zettel hervorlugte.

Das war die Rechnung. Ich hob einen Zipfel der Serviette, und warf einen Blick auf die Summe - und wurde weiß.

Es war weit mehr als ich je in meinem Leben in der Tasche gehabt hatte. Und am allerwenigsten jetzt. Auch auf der Bank war ich hoffnungslos im Minus.

Ich zog das Portemonnaie, rein mechanisch, ohne die geringste Ahnung, was ich tun sollte.

 

Hans, wieso ist deine Geldtasche auf einmal rot, sagte Elfriede, mein Ehegespons. Die war doch immer semmelbraun?

Tatsächlich, sagte ich verwundert. Da muss wohl das rote Taschentuch abgefärbt haben.

Sie zog mir das Taschentuch aus dem Hosensack. Es war knallgrün. Elfriede sah mich eindringlich an.

Oder was anderes, sagte ich. Dann klappte ich die rote Brieftasche auf, und ein Bündel Hunderter und zwei Fünfhunderter blinzelten mir entgegen.

Olala, sagte meine Frau, und sah mich noch mal fest an. Ich wurde rot wie die Brieftasche.

Elfriede ließ mich erst noch zahlen. Dann wollte sie eine Erklärung von mir.

 

Ich weiß nicht, sagte ich. Vielleicht auch wieder eine Ver-

Sicher, sagte sie, Verwechslung, natürlich! Und ich weiß sogar mit wem: Das war garantiert der alte Herr nachmittags, der vor uns im Merkur-Markt. Der hatte so eine rote Brieftasche. Dass du immer alles verwechseln musst! Wirklich!

Na schlecht?, sagte ich, hab ich halt jetzt ein rote. Meine alte war eh schon ein bisschen schrumplig und abgewetzt. Und die da ist wenigstens prall gefüllt.

Elfriede fand das nicht so lustig. Ihre gute Laune war wieder beim Teufel. Das hat ein Nachspiel, sagte sie, und wollte sofort aufbrechen.

Einverstanden, sagte ich. Ich muss nur noch mal für kleine Buben, sagte ich, du kannst dich ja schon mal anziehen und dann draußen auf mich warten.

  *

Nachher marschierten wir los, und sprachen eine Weile gar nichts.

Sie waren umwerfend heute, fing meine Frau an, Loup de mer, Champagner, Cognac, Hummer, und wie geistreich Sie sind und sexy, Monsieur, tres charmant.

Jetzt reicht’s, Schatzi, sagte ich und gab ihr einen sanften Rippenstoß, red bitte wieder normal und gib mir lieber einen dicken Versöhnungskuss.

Sie gab mir sofort einen leidenschaftlichen Kuss – aber während wir so im Dunkeln miteinander verschmolzen, kroch mir unversehens eine Gänsehaut den Rücken hinunter. Ich wusste nicht was, aber irgendetwas war anders als sonst.

Pardon, Schatzi, sagte ich, und entzog ihr meinen Mund. Und eben in dem Moment bestrahlte der Lichtkegel eines nahenden Autos zufällig genau das Gesicht meiner Frau. Ich erstarrte: Noch auf dem Weg zum Restaurant hatte sie hellblonde Haare gehabt, jetzt war sie auf einmal pechschwarz. Was – was um aller Welt – nein – o doch – o lala – da gab  es – oh ja - sicher - da gab es - nur eine einzige Erklärung: Die Dame in meinem Arm war nicht meine Frau, sondern - die hübsche dralle Schwarzhaarige vom Nebentisch, die mich bereits während des Essens mehrmals auffällig angezwinkert hatte.

 

Schon wieder eine Verwechslung, dachte ich einen Moment lang zerknirscht.

Doch bald siegte mein gewohnter Optimismus, und ich begann das Missgeschick zu verschmerzen.

Na schlecht?, sagte ich zu mir, hab ich halt jetzt eine schwarze. Meine Alte war eh schon ein bisschen schrumplig und abgewetzt. Und die da ist wenigstens prall gefüllt.

 

Es begann wieder zu regnen. Ich spannte meinen blauen Messingschirm auf, hakte die dralle Schwarzhaarige unter und wir gingen wortlos.

(Dies war eine Kurzgeschichte von Wolfgang Glechner)